Er ging die mittellange Straße entlang, mit ihren ordentlich aneinander gereihten Autos, die ihre Schnauzen auf den schmalen Gehweg richteten. Es waren wohl immer die gleichen und einige sahen teurer aus, andere etwas runtergekommen. Geprägt von ihrem schlichten Dasein. Oft schon ging er diese Straße auf und ab, aber nie war auch nur ein einziger Besitzer der vielen Autos zu sehen. Sie blieben anonym und so strahlte auch der Gehweg selbst eine gewisse Anonymität aus. Die Menschen, die ihn besuchten, quetschen sich häufig eng, aber innerlich distanziert aneinander vorbei. Ganz unterschiedlich sahen sie aus, keine Gesichter waren dabei, die sich wiederholten oder Freunde miteinander waren. Gemeinsame Wörter oder warme Begrüßungen wurden hier nicht miteinander geteilt.
Auf diesem Gehweg war ein jeder in seiner ganz eigenen Welt, aber die Welt schien für diese kurzen Momente eine friedliche zu sein. Nicht unbedingt glücklich, aber friedlich und ruhig, so sahen die Gesichter aus, die einem hier in meist schnellen, zielsicheren Schritten entgegenkamen.
Während er heute, mit gesenkten Kopf, vertieft in eigene Gedanken, so unbekümmert friedlich über den grauen Pflasterstein ging, erkannte er in einem kurzen Moment die Schönheit der neuen Jahreszeit.
Herbstlich rot schmückten Kastanienblätter den Weg und offenbarten durch ihre großen und feinen Unterschiede die Vielfalt der Natur. Kein Rot glich hier dem Rot der anderen. In ihren verschiedenen Ausführungen vereinten sich grüne und gelbe Akzente und schenkten jedem dieser jungen Blätter ihre ganz eigene Persönlichkeit, mit der sie leise zu sprechen begonnen, wenn nur aufmerksam zugehört wurde.
Doch nur selten, eigentlich nie blieb er hier stehen, um zu hören, was der schöne Schmuck des Gehwegs zu sagen versucht.
Wie gern er es sonst tat, bereits lernte, wie viel Schönes und Ruhiges die Natur zu verraten und zu sagen hat.
Den Blick auf achtsame Moment lenkte, um zu hören, was sprechen wollte und zu fühlen, was im Tiefen spürbar war.
Doch auf diesem steinernen gepflasterten Weg, den er so häufig schon überquerte, fand ihn nicht ein einziges Mal die Idee dazu auf.
Leicht fiel es ihm hier, in eigenen Gedanken gefangen, die mahnenden Zeichen der Natur zu übersehen und dem schnellen Lauf des Alltags zu folgen, ohne innezuhalten und zu atmen.
Auch die bunten Blätter wirkten hier meist wie unbekannte, es eilig habende Reisende, die von niemandem, außer der Natur selbst, aufzuhalten wären. Als seien sie Teil der leise raschelnden Besucher des anonymen Gehwegs, die ihm nur einen kurzen Besuch abstatten, ehe der Wind sie zu ihrem nächsten Ziel tragen würde.
Doch heute war es anders.
Heute war es dieser kurze Augenblick, welcher ausreichte, um die Kälte der Jahreszeit für einen Moment lang zu vergessen.
Ein kleiner Augenblick, der ihn zum Atmen erinnerte und den Blick auf die bunte, spielerisch tanzende Blätterwelt lenkte.
Die Schönheit ihrer Vielfalt reichte aus, um für eine kurze Zeit das Drama der Kriegswelt zu vergessen.
Das trübe Schicksal und die nebelige Stimmung, die seit einiger Zeit in der Gesellschaft, der Menschenwelt, und so auch ihn ihm selbst lag, rückte in dieser Minute in den Hintergrund. Auch wenn es eine kurze Minute war, die das Weltgeschehen nicht retten oder ungeschehen machen konnte, so trug sie ein kleines Geschenk mit sich, was ihn erreichte.
Das friedliche Spiel der farbenfrohen Blätter, löste ein kleines bisschen Ruhe, ein kleines bisschen Durchatmen und sogar ein kleines Lächeln aus, welches den Weg zu seinem Herzen fand und es erwärmte. Und natürlich ist es einfach das zu fühlen, auf diesem kalten, aber doch so sicheren Gehweg, mit Privilegien bestückt und unberührt von Raketen, Schüssen und dem Kampf des Überlebens. Aber war es eben auch auf dieser Straße, in diesem Moment, in dem ihm die Hoffnung überkam und seinen Gang, sein Gesicht, seine Gedanken, mit Wärme und Nächstenliebe füllte. Dankbar war er für dieses Geschenk, denn hat er bereits gelernt, dass Hoffnung, genau wie die Liebe und Hass funktioniert und weitergegeben werden kann. Nun, wo er das Glück hatte, die Hoffnung und das Zusammenleben der bunten Vielfalt zu sehen, wenn auch nur an den spielenden Blättern, so stellte er sich das bunte Zusammenspiel der Menschen vor. Eines Tages. Nebeneinander und miteinander. Und diese Vorstellung, füllte ihn erneut mit der tiefen Hoffnung, dass es auch so kommen wird. Eines Tages, in der fernen Zukunft, basierend auf den Schritten, die wir heute gehen würden.